3. April 2023

Interview

Interview mit Frieder Weißbach

Inhaber der Studio U&N Textilmanufaktur

Stelle dich bitte kurz vor. Wie kommst du zu deinem Unternehmen?

Mein Name ist Frieder Weissbach. Ich habe Modedesign studiert an der Burg Giebichenstein in Halle (Saale).
Vor vielen Jahren haben wir im eigenen Label „howitzweissbach“ selbst hier produziert.
Zudem war ich in der Lehre tätig, hatte eine Professur für Kollektionsentwicklung und Entwurf in Dresden inne. Vor 5 Jahren habe ich mich entschieden, die Studio U&N GmbH zu übernehmen.
Ein Stückweit bin ich Heimkehrer, meine Herkunft verbindet mich mit den Menschen hier. Die Tätigkeit im Studio U&N verbindet Kopf und Hand auf eine für mich ideale Art. Jeder Tag ist anders, es gibt einfach keine Routinen. Das genieße ich sehr.

Erzähle bitte ein bisschen über dein Unternehmen.

Das Studio U&N ist eine klassische Textilmanufaktur im Bereich der Lohnkonfektion.
Der Fokus liegt auf Kleinstserien. Das Studio U&N fertigt vom Musterstück bis zu einer Auflage von 500 Stück textile Erzeugnisse. Ab 5 Stück pro Größe wird ohne Mindestmengenaufschläge produziert. Die Manufaktur besteht aus einem Team von 17 sehr gut ausgebildeten Mitarbeiter:innen. Gefertigt wird mit Hilfe eines grundsoliden Maschinenparks. Das Studio U&N sitzt in Jahnsdorf, ein kleiner Ort im Erzgebirge. Jahnsdorf ist Teil der ehemaligen Textilregion.

Nähsaal Studio UundN

Was genau wird gefertigt und worin liegt für dich die Besonderheit des Produktes?

Das Studio U&N ist seit nunmehr 30 Jahren spezialisiert auf hochwertige Produktion auch von kleinen Mengen. Wir können hier den gesamten Prozess begleiten: von der Idee, über die Schnittentwicklung, das Materialsourcing bis hin zum fertigen Produkt. Es genügt für uns bereits die Idee, um eine telefonische Erstberatung durchzuführen. Wir sind sehr breit aufgestellt, können Gewebe, Gewirke aber auch Maschenware verarbeiten. Jedes Stück, was unser Haus verlässt, wird mit hoher Aufmerksamkeit und Liebe gefertigt. Unsere Mitarbeiter:innen erstellen meist das komplette Stück und nicht wie in Massenproduktionsbetrieben nur eine Naht, Tag für Tag. Wir leben in der Manufaktur ein hohes Arbeitsethos und setzen auf langlebige Dinge, nicht auf Wegwerfprodukte. Uns liegt die langjährige Kundenfreude am Herzen. Jedes Stück wird im Prozess und am Ende streng kontrolliert. Jedes Fädchen abgeschnitten, um rundum zufrieden zu stellen. Yogawear, Pferdedecken, Kinderlätzchen und hochwertige Musterkollektionen – bei uns ist alles möglich.

Wo liegen die Chancen für lokale Textilherstellung?

Gerade für die Herstellung von Nischenprodukten stellt lokale Fertigung, Textilproduktion eine große Chance dar. Wir fertigen hier zum Beispiel in engem Kund:innenkontakt Schlittenhundhandschuhe. Ich sehe einen wachsenden Markt für kleine Marken und Direktverteibenden. Wir sind in der Lage die Kund:innen sehr nah und dicht zu beraten. Das Studio U&N bietet auch für textile Laien mit eigenen Ideen Beratungsgespräche an. Die Hemmschwelle ist gering eine Partnerschaft mit uns zu erproben und Ideen tatsächlich umzusetzen. Unsere Kund:innen schätzen die kurzen Liefer- aber auch Kommunikationswege. Wir spüren zudem ein wachsendes Bewusstsein für Wertschöpfung in unmittelbarer Nachbarschaft. Denn der Wert von Kleidung wird immer auch durch die Herkunft bestimmt.
Wir arbeiten auf der Basis von Transparenz, Nachvollziehbarkeit, und Nachhaltigkeit. Auch sehe ich Chancen für die lokale Textilherstellung und die Region im Generationswechsel. Ich beobachte seit geraumer Zeit, dass junge Menschen zurück in die Region kommen, um sich etwas aufzubauen auf dem Wissen der Altvorderen. Ich bin der Überzeugung, dass es eine sinnstiftende Arbeit auch auf dem Land, entfernt von den Großstädten, geben kann. Auch die ländlichen Regionen bergen eine Vielzahl Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung.

Wo liegen die Herausforderungen?

Wir sind ein waches Unternehmen, immer wieder prüfen wir die alten Strukturen auf Verkrustungen. Eine extreme Herausforderung ist die Mitarbeiter:innensuche und Bindung an das Unternehmen. Die Arbeitskräfte fehlen in dieser alternden Region. Uns fehlt es an Fachkräften und an begeistertem Nachwuchs. Der Beruf Näher:in, aber auch andere Berufe in der Textilbranche, gelten nicht als attraktiv. Das versuchen wir zu ändern. Ganz wichtig für uns ist die faire Entlohnung und natürlich ein wertschätzender Umgang mit unseren Mitarbeiter:innen.
Eine Renaissance von Handwerksberufen ist meines Erachtens spürbar. Die Suche nach einer sinnstiftenden Tätigkeit spielt eine große Rolle. Neben der Digitalisierung dürfen wir die sinnlich fassbare Welt, die wir Tag für Tag erleben, nicht vergessen. Wir ziehen uns an, wir essen Brot. Wir sind da. Die textilen Kulturgüter Weben, Stricken, Textilfertigung können nicht durch digitale Filter ersetzt werden.

Was wünschst du dir für die Zukunft des Unternehmens?

Ich möchte ausbilden. Jungen Nachwuchs finden, der Spaß an der Arbeit hat. Ich wünsche mir weiterhin eine treue Kundschaft, die mit mir den Anspruch an hochwertige Kleidung teilt. Ich wünsche mir, dass die Kundschaft meiner Kund:innen diese Werte honoriert und schätzt. Ich wünsche mir ein Teil der positiven Zukunft in dieser Region zu sein. Ich wünsche mir, dass die Region neuen Ideen von Außen und neuen Menschen positiv begegnet und für sich als Chance versteht, das Wertvolle hier zu erhalten und ins Morgen zu führen.
Wir stehen für gesundes Wachstum, das von einem motivierten und zufriedenen Team getragen wird. Ich sehe das wachsende Bewusstsein für die Wertigkeit von Handwerk als einen wichtigen Schlüssel für gute, nachhaltige, verantwortungsbewusste Kleidung.

Gibt es eine interessante Geschichte aus dem Unternehmensalltag?

Der Ursprung des Unternehmens bestand in 2 Strickmaschinen. Diese Maschinen strickten 5 Tage die Woche Pullover aus Lurex-Fäden, welche dann am Samstagvormittag komplett ausverkauft wurden. Manchmal wünschte ich mir, dass die Dinge, die heute entstehen, genauso schnell zum Kunden und in dessen Herz finden. Als Glücksbringer liegt noch heute der Schlüssel der damaligen Werkstatttür in meiner Schreibtischschublade. Hoffentlich lassen sich damit in Zukunft im übertragenen Sinne noch viele Türen aufschließen.

Welche Relevanz hat das Thema Nachhaltigkeit (sozial/ökologisch/ökonomisch) für die Zukunft deines Unternehmens?

Aus meiner Sicht ist nachhaltiges Wirtschaften die einzige Option für Produzent:innen im Bekleidungssektor in Deutschland wirtschaftlich zu überleben.

Wobei könnte dir lokaltextil helfen?

Gerade in Bezug auf Nachhaltigkeit und Ökologie sind wir immer wieder auf der Suche nach verlässlichen Lieferant:innen, Produktionspartner:innen und Kundschaft. lokaltextil könnte uns diesbezüglich in Vernetzungsfragen und bei der Erhöhung unserer Reichweite unterstützen.