Das Projekt Kosmos Leinen verdeutlicht anhand der Leinenproduktion, dass eine nachhaltige und faire Textilproduktion lokal möglich und darüber hinaus sinnstiftend ist. In verschiedenen Kapiteln wird der Weg vom Anbau der Flachspflanzen über die Herstellung der Fasern und des Gewebes bis zur Entwicklung einer Produktreihe erfahrbar gemacht. Es geht zum einen darum, das vorhandene alte Wissen aktiv zu erhalten. Zum anderen werden in Forschungsprozessen innovative Herangehensweisen erprobt und weiterentwickelt. Im Projekt kooperieren die heimische Textilindustrie, Landwirtschaft und Bildungseinrichtungen. Künstlerische Prozesse stehen gleichwertig neben technischen Forschungsansätzen, landwirtschaftlichen Anbaumethoden und Bildungsformaten. Ziel ist es, den Wissensreichtum aus Herstellung und Forschung, Geschichte und Alltag, Literatur und Kunst zusammen zu führen, sichtbar zu machen und zu erweitern. Ein mögliches Ergebnis kann eine hochwertige und ästhetisch ansprechende Produktreihe sein. Jeder einzelne Schritt soll sichtbar und nachvollziehbar gemacht werden. Dadurch können wir ein Bewusstsein schaffen für Leinen als ein wertvolles, langlebiges und gesundes Textil.
Wir starten aktuell 2021 mit dem Projekt Leinen – Ein Selbstversuch.
Leinen - Ein Selbstversuch
Vom Leinsamen zur Leinwand in einem Jahr.
LOGBUCH
BETEILIGTE
Idee und Umsetzung lokaltextil
Unterstützung Gartenbau Romy Julia Kroppe
Fotos Eva Howitz, Alwina Pampuch, Lena Seik
Ort Garten der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig, Ecke Wächter-/Ferdinand-Rhode-Straße
Partner:innen Inga Kerber
springe zu
Januar 2021
September 2021
Februar 2021
Okt/Nov 2021
Dez21/Jan22
April 2021
August 2021
Februar 2022
Januar 2021
Der Entschluss steht!
Es ist beschlossene Sache: Dieses Jahr probieren wir den Anbau von Flachs im eigenen Garten. Laut unserer Recherchen und den Aussagen von Herrn Ruta, dem Leiter der Leinenweberei Hoffmann, bietet Mitteleuropa und die Region Sachsen günstige klimatische Bedingungen und gute Bodenvoraussetzungen.
Als Saatgut suchen wir den Gemeinen Lein (linum usitatissimum) aus, eine wilde Flachssorte, die beides kann: Faser und Öl. Bei Rühlemann’s Kräuter- und Duftpflanzen werden wir fündig und bestellen 25 Samentütchen.
Seitdem wir uns näher mit Textilien und der Textilwirtschaft beschäftigen, sind wir fasziniert von dem Material Leinen. Die zarte Pflanze, die anmutige blaue Blume, die Faser, die Leinsamen, das Leinöl… Eine echte Alleskönnerin. Die sich im Klima Mitteleuropas wohl fühlt und eine Jahrhunderte alte Geschichte des Anbaus und der Verarbeitung hat. Wieso ist sie so selten geworden?
Leinenanbau in Deutschland
Hierzu ein kurzer historischer Abriss: Bis noch in die 1950er Jahre hinein wurde Flachs in kleinbäuerlichen Betrieben im Rheinland angebaut. Doch bereits in den Jahren der Industrialisierung der Textilproduktion in Europa im 18. Jahrhundert verdrängte die importierte und viel billigere Baumwolle nahezu vollständig die heimische Leinenproduktion. „Flachs zur Erzeugung von Leinen hat in den sächsischen Regionen Osterzgebirge, Oberlausitz und Vogtland eine sehr alte Tradition. Durch das Aufkommen synthetischer Fasern und günstige Baumwollimporte nahm die Bedeutung des Flachses jedoch ständig ab, bis der Anbau in den 70er Jahren völlig zum Erliegen kam. Dieser Verdrängungsprozeß wurde auch durch die fehlende technische Weiterentwicklung der Verarbeitungsverfahren begünstigt.“ Heute ist klar, dass der Anbau von Baumwolle fast überall auf der Welt ein schmutziges Geschäft ist. Durch Monokulturen werden die Böden ausgelaugt, Pestizide machen die Menschen und die Umwelt krank, der Transport der Baumwolle erzeugt Tonnen an CO2. Und trotzdem ist die Baumwolle des preiswertere Material, wobei den Preis die Menschen in den Erzeugerländern bezahlen. Das ist unfair und rechtfertigt in keiner Weise die weltweite Vormachtstellung der Faser.
In Deutschland hat der Flachsanbau und seine Verarbeitung zu Leinen eine lange Tradition. Heute gibt es jedoch nur noch drei Leinenwebereien. Eine davon durften wir im Juni 2020 besuchen. In der Leinenweberei Hoffmann in Neukirch in der Lausitz werden Leinen-Jaquard-Gewebe hergestellt – edle, weiche, glänzende Stoffe von höchster Qualität. Wir waren beeindruckt und einmal mehr von der Frage umgetrieben, warum der Flachs nicht vor Ort angebaut wird, wenn so etwas Schönes wie in Neukirch daraus entstehen kann.
Die Idee
Die Idee des Selbstversuches war geboren. Nach einer intensiven Recherchephase planten wir den Ablauf: Anbau von März bis August im eigenen Garten in Leipzig/Liebertwolkwitz. Daran angeschlossen wird die Verarbeitung. Dafür müssen Partner:innen gefunden werden, die mit uns gemeinsam alle Stationen der Umwandlung von Flachs zu Leinen fachkundig begleiten. Denkbar wäre ein bäuerliches Museum oder eine Traditionsgruppe aus einem ehemaligen Leinenanbaugebiet, die noch über das aktive Wissen verfügt.
Die Stationen des Projekts werden unter künstlerisch/ästhetischen Gesichtspunkten beforscht. Es geht weniger um die wissenschaftlich/akademische Richtigkeit als vielmehr um eine ganzheitliche, forschende und assoziative Herangehensweise. Uns ist wichtig, Gedanken, Erkenntnisse und Ideen festzuhalten. Deshalb dieses Logbuch.
Februar 2021
Das Saatgut ist da!
Zudem entstand die neue Idee, das Flachsbeet in den Garten der Galerie für Zeitgenösssiche Kunst zu verlegen. Ab März wird dort die aktuelle Ausstellung „Vom Haben und Teilen – Wem gehört die Sammlung„? zu sehen sein. Mit dabei sind Johanna und Helmut Kandl und ihr Langzeitprojekt Material. Johanna Kandl untersucht seit einigen Jahren die Herkunft des Materials der Malerei. Woher kommen die Bestandteile, die für das Malen unverzichtbar sind? In welchem Boden lagert das Gestein für die Farbpigmente? Aus welchen Tierhaaren werden die besten Pinsel gemacht? Wo wächst der Flachs für die Leinwand und das Leinöl?
Wir gehen ähnlich vor und fragen nach dem Material des Textils: Woher stammt die Faser für meine Bettwäsche? Wenn Baumwolle in unseren Breitengraden nicht wächst, aber Flachs, warum wird er kaum noch angebaut? Ist es überhaupt möglich Flachs in Sachsen anzubauen? Und schaffen wir es mit unserer Hände Arbeit, aus dem Flachs Leinen zu gewinnen und am Ende eine Leinwand zu weben?
März 2021
Wir warten auf das gute Wetter.
Seit Wochen ist es noch so kalt, dass der Boden gefroren ist.
Doch dann, Ende des Monats kommen ein paar warme Tage. Wir starten mit dem Abstecken der Fläche. Die Holzstäbe dafür kommen von einem alten Kinderbett! Sie sollen auch unseren Pflanzenkindern einmal Halt geben. Der Ort für das neue Beet befindet sich mitten im innerstädtischen Raum, an einer Straßenkreuzung neben dem Fußweg auf einer Wiese, die zum Gelände der GfZK gehört. Umsäumt wird das Grundstück von Wohnhäusern und verschiedenen Hochschulen. Im Viertelstundentakt fährt die Buslinie 89 an uns vorbei.
Wir brechen die Grasnabe auf. Die Sonne scheint, es ist fast sommerlich. Die Arbeit ist sehr beschwerlich. Es dauert den ganzen Tag bis wir unsere 20 qm Beetfläche erschlossen haben. Leider reicht nun die Zeit nicht mehr für ein sorgsames Aussäen. Das muss in den April verschoben werden.
Was säen wir alles aus?
Neben dem Saatgut für den Flachs haben wir etliche Saaten für Färberpflanzen gekauft. Uns fasziniert der Gedanke, dass auch die Farbe, mit der auf die Leinwand gemalt wird, aus heimischen Pflanzenteilen gewonnen werden kann. Das wollen wir auch ausprobieren. Susanne Stern, Textildesignerin und Expertin für Naturfarben, berät uns ausführlich, welche Pflanzen zum Anbau geeignet sind und welche Effekte sie erzielen.
Wir entscheiden uns für die drei Grundfarben:
Gelb – Fäberkamille, Labkraut (Blüten), Johanniskraut, Reseda, Rainfarn und Tagetes
Rot – Färberkrapp, Schwarze Stockrose und Labkraut (Wurzel)
Blau – Färberwaid und Färberknöterich
Färberkrapp und Schwarze Stockrose kaufen wir als Pflanze, da die Stockrose erst im zweiten Jahr blüht und die Wurzel des Krapp auch erst von der mehrjährigen Pflanze verwendet werden kann.
April 2021
Die Aussaat
Die Gartengruppe trifft sich am 1. April zur Aussaat. Die meisten unserer Pflanzen sind Magerwiesen gewöhnt. Doch der Boden an der Straßenecke ist überraschenderweise schwer und humos. Großfamilien von Regenwürmern kreuzen unseren Weg, ebenso verschiedene andere Bodenbewohner wie Engerlinge, Springschwänze und Tausendfüßler. Also bringen wir vor der Aussaat Sand in die Erde. Die Leinsamen säen wir in drei langen Reihen. Sie werden einen 12×1 Meter langen Streifen ergeben. Die Färberpflanzen kommen in Beetabteile daneben.
18 Tage später …
Die Leinsamen sind aufgegangen und die ersten Pflänzchen entfalten ihre Blätter! Auch die Samen der Färberkamille haben gekeimt und schauen winzig aus der Erde. Wir sind überglücklich!
Idee: Wenn wir den Flachs geerntet, gerauft und geröstet haben, möchten wir eine Pflanze ganz genau analysieren und alle Anteile prozentual festhalten: Samen, Faser, Schäben, Werg. Eine wichtige Frage stellt sich uns nämlich seit geraumer Zeit: Ist es möglich aus den holzigen Überresten der Pflanze, den sogenannten Schäben, eine Art Viskose herzustellen?
Mai 2021
Was passiert rund ums Leinenbeet?
Die Pflanzen wachsen prächtig. In der ersten Mai-Hälfte war es relativ trocken, so dass wir einige Male wässern mussten. Das bedeutet konkret vor Ort für eine gießende Person: sechs mal mindestens mit jeweils zwei 10 Liter Gießkannen auf einer Strecke von gut 100 Metern hin- und herzulaufen. Die Bäckerei für zeitgenössisches Brot „Backstein“ im Garten der GfZK unterstützt uns, in dem sie uns zwei weitere Gießkannen zur Verfügung stellt. So können wir nun zu zweit und jeweils nur dreimal den Weg vom Wasserhahn zum Beet und zurück beschreiten.
Zu Besuch bei Inga Kerber
Die Leipziger Künstlerin Inga Kerber treffen wir am 6. Mai nach der Beikraut- und Gießkontrolle in ihrem Atelier auf der Leipziger Spinnerei. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit als Fotografin, Floristin und Slow Flower Bewegte bemalt Inga Leinenstoffe mit Naturfarbpigmenten mit floralen Motiven. Wir verfolgen ihr Werk schon seit geraumer Zeit, was uns zu dem Entschluss führte, sie zu fragen, ob sie diejenige sein möchte, die die Leinwand am Ende des Prozesses bemalen wird. Sie stimmt zu.
Es wird warm.
Am 10. Mai klettert die Temperatur auf 28°C, was unseren Flachspflänzchen einen enormen Wachstumsschub beschert!
Doch auf das Gießen können wir ab dem nächsten Tag schon wieder verzichten. Es regnet fast täglich bis Ende Mai. Der verregnete kühle Mai sorgt dafür, dass sich die oberste Bodenschicht von der Trockenheit der letzten Jahre erholt. Das tut auch unseren Pflanzen gut. Und wenn es den Pflanzen gut geht, geht es auch uns gut.
Der Flachs schießt!
Ab dem 14. Mai kann man dem Flachs beim Wachsen nahezu zuschauen! Am 31. Mai ist die Wachstumshöhe bei fast 40 cm. Auch das Beikraut schießt in die Höhe und muss gebremst werden. Freundliche Jäthilfe bekommen wir von Benedikt Maschke von Nektarbar, einem steten Freund von lokaltextil. Er war bereits zum Beetbau zur Stelle und brach einige Quadratmeter Grasnabe auf, wofür wir heute noch dankbar sind.
6. Mai
19. Mai
31. Mai
Juni 2021
Der Juni ist ein Fest!
Der Juni am Leinenfeld ist für uns ein ganz besonderes Fest.
Zu Beginn wird uns von der Familie Niese eine schöne alte Birke gespendet.
Die einzelnen Baumscheiben dienen seither als Sitzgelegenheit für müde Gärtner:innen und Besucher:innen am Leinenfeld. Die Flachspflanzen wachsen nun nahezu sichtbar von Tag zu Tag. Das Wetter spielt uns zudem in die Karten und schont unsere gießkannentragenden Rücken durch natürliche Regenepisoden.
Bestimmen der Färberpflanzen
Anfang Juni können wir zudem unsere Färbepflanzen freilegen und wunderbar bestimmen. Der Färberknöterich, der Färberwaid, die Färbekamille, Rainfarn, die Stockrosen und der Knöterich alles wächst und gedeiht. Sogar neben dem Feld siedelt sich Labkraut an.
Was ist Stickeln?
Am 7. Juni entscheiden wir uns für das Stickeln. So nennt man die sanfte Wuchsstütze für die enorm schnell wachsenden Flachshalme. Es ziehen immer wieder intensivere Windböen um die Straßenecken. Die Stütze erscheint uns auch deshalb sinnvoll.
Blaue Blüten wohin das Auge blickt
Am 9. Juni entdecken wir die ersten Blütenstände.
Und am 11. Juni begrüßen wir die blauen Blüten auf unserem Blühstreifen. Wir können nicht oft genug zu den Pflanzen und staunen über die zeitlichen Rhythmen der Blütenöffnung. Die Flachsblüten zeigen sich bis in die frühen Nachmittagsstunden blühend, um sich danach wieder zu schließen. Die blaue Pracht hält bis Ende Juni an.
Die Bollen reifen
Schon ab 22. Juni sind vermehrt Samenkapseln, die sogenannten Bollen zu sehen. In ihnen reift das Saatgut für die nächste Saison beziehungsweise die Leinsamen die auch zu Leinöl, Leinfirnis weiterverarbeitet werden können. Die Leinsamen wohnen zu zehnt in einer Kapsel und wenn sie sich grünlich färben, kündigen sie die Raufe an. Wir pflegen wöchentlich das Feld und Umgebung, sicheln, zupfen, rupfen und freuen uns auf den Juli.
Juli 2021
Sich regen bringt Segen.
Unser Juli am Flachsfeld ist bestimmt von zahlreichen Besuchen. Freunde der Pflanzen kommen, um die Blüten, aber auch die nun immer stärker vorhandenen Bollen, zu bestaunen. Wir hören Geschichten vom Anbau des Flachses in nahezu jeder Himmelsrichtung. Einige Besucher:innen haben in ihrer Jugend gerauft oder sämtliche andere Schritte der Flachsverarbeitung durchgeführt. Wir hören immer genau zu, wenn die Erfahrungen ausgetauscht werden.
Wann wird gerauft?
Auch für unsere schönen sanften Stängel nähert sich die Raufe.
Wir sind fasziniert von der Fülle der Worte, die aus dem Flachskosmos in unsere Sprache gesickert sind. Raufen bedeutet nichts anderes, als die Flachsstängel gebündelt am unteren Drittel mit der Hand zu umfassen. Um diese dann ruckartig samt Wurzel aus der Erde zu ziehen.
Nur wann? Wir werden uns bewusst, dass eine gleichmäßige Sonneneinstrahlung für die Pflanzen wichtig ist. Auf unserem Versuchsfeld gibt es alle Wetter- und unterschiedliche Lichtsituationen. Der Blühstreifen ist von dem einen oder anderen Baum umgeben. Das führt zu verschiedenen Reifezeiten unserer Pflanzen. Auch sind die Pflanzen, welche sich gegenseitig eine Stütze sind, viel kräftiger als die in Reihe gesäten. Wir beobachten das Feld intensiv, öffnen die ein oder andere Samenkapsel, um den Trocknungsstand der Saat zu prüfen.
16.07.2021 Erntetag
Nach nunmehr 107 Tagen seit Aussaat der Leinsamen entscheiden wir uns für die Raufe.
Es ist überliefert, dass die Flachsstängel 100 Tage in der Erde bleiben müssen. Da unser April sehr kühl war, erachten wir eine Verzögerung von 7 Tagen als nötig. Wir beginnen am frühen Nachmittag mit den Raufvorbereitungen. Kehren das Trottoir vorm Feld, entfernen vorsichtig die Stickelstöckchen und den stützenden Faden. 15:30 Uhr also recht spät, starten wir ins Raufen.
Das geht sehr gut. Wir kommen spielend voran und nach circa 1 Stunde liegen unsere Stängel auf der Erde statt in ihr zu wurzeln. Das sieht in erster Linie wunderschön aus. Wir lesen, dass die Stängel per Hand entblättert werden müssen, um ideal zu trocknen.
Entblättern ist anstrengend.
Mit der Hilfe von Romy Kroppe entblättern wir und entblättern wir. Das Problem: die Faserbündel im Stängel lösen sich dabei vermehrt. Je feuchter die Pflanzen sind, wenn sie zum Beispiel übereinander liegen oder ähnliches, desto schwieriger ist das Entfernen der Blätter. Wir kommen langsam voran, zu langsam. Hilfe naht, und so bilden wir gemeinsam mit Johanna Bölke und Michael Barthel eine flachsende, später sogar singende Entblätterungscrew. Nach 4 Stunden entscheiden wir uns die restlichen Stängel mit Blättern zu trocknen, um eine Vergleichsgröße zu haben.
Bündeln von jeweils 40 Stängeln.
Um unsere Forschung komplett zu machen, wollen wir jeden einzelnen Stängel zählen. Da wir beim Entblättern sowieso jede Pflanze berühren, schließen wir die Zählung einfach an.
Letztendlich haben wir 3300 Samen ausgesät und können etwas mehr als 3200 Flachsstängel zählen und bündeln. Die Saat hat sich im Garten der Galerie für Zeitgenössische Kunst trotz urbaner Straßenecke sehr gut entwickelt. Wir schätzen, wir werden ca. 90000 Samen aus den Pflanzen gewinnen können.
Beetpflege muss sein
Um auch den Färbepflanzen genügend Aufmerksamkeit zu widmen, legen wir zwei Beikrautjättage ein. Wir entfernen vorsichtig den gemeinen Knöterich, um dem Färberknöterich eine Chance zu mehr Wachstum zu verschaffen. Die Färberkamille zeigt erste feine Blüten. Sie wird sich in den nächsten Monaten weiterentwickeln und selbsttätig aussähen. Auch der Rainfarn steht in seiner starken Blätterpracht. Unsere Stockrosen zeigen Blütenstände und wachsen kräftig in die Höhe. Der Färberkrapp gedeiht und blüht. Aus dem Blühstreifen, auf dem der Flachs einst blühte, entsteht mit der Hilfe von Bernd Krauß ein Staudenbeet.
Es darf nun 7 lange Jahre kein Flachs mehr ausgesät werden. Denn: „Wer steht schon gern in den eigenen Ausscheidungen?“ (Stefan Fölser, Flachsbauer).
Reisen bildet
Um uns auch international zu vernetzen und weiter zu bilden, reisen wir nach Oberösterreich. Eine Flachsregion oberster Güte. Hier waren einst die blauen Blüten landschaftsprägend. Das Textilzentrum Haslach lädt ein zum Webermarkt ein, den wir uns nicht entgehen lassen. Wir lernen unglaublich viel. Sowohl von der wissenschaftlichen Leitung des Textilen Zentrums Christina Leitner, als auch von Stefan Fölser. Er ist nunmehr 76 Jahre alt und baut Flachs im großen Stil an. Sein Wissensschatz macht uns glücklich und klüger. Sein Unternehmen Natur-Faser-Fölser ist eine Entdeckung. 1500 Jeans werden hier pro Jahr maßgefertigt. Das Material, ein Baumwoll-Leinengemisch wird in der Weberei Vieböck in Helfenberg gewebt. Herr Fölser baut auf einer Fläche von 0,5 – 1 Hektar Flachs an und sagt, mehr braucht das Unternehmen nicht. Das sind weise Gedanken und eine wertvolle Haltung in Zeiten des klimatischen Wandels. Am Ende des Gespräches mit Herrn Fölser fällt folgende Aussage: „Wir Flachsbauern müssen zusammen halten.“ Dem ist nicht hinzuzufügen.
Kopfüber trocknend Besuch empfangen
Unsere Ernte trocknet nun auf dem Boden der GfZK über Kopf hängend. Um einen angemessenen Trockenzustand zu erlangen, werden wir bis Ende August warten mit der Röste.
Ende Juli besucht uns Anne Schwalbe, Künstlerin und Autorin der Gartenkolumne „Die Gärten der Anderen“ im Zeit Magazin, am Versuchsfeld und dokumentiert den Istzustand der Stängel auf dem Boden. Auch den Chemiker und ehemaligen Leinenweber Hermann Gschwandtner treffen wir am Feld zum Austausch unter Flachsfreunden. Wir denken darüber nach, wo die Saat ihre neue Erde finden kann. Der Besuch von Stephan Schürer, Kardiologe und Gartenaktivist, offeriert uns eine spannende Option. Vielleicht werden die 90000 Samen ein neues zu Hause am Rande von Leipzig finden. Wir sind sehr gespannt auf die Skalierung des Versuchsfeldes.
August 2021
Der August ist ein ruhiger Monat im Projekt. Eine Zeit des Sich-Besinnens und Herumhängens. So wie unsere Flachsstängel, die zu Garben gebunden still und trocknend im Dachstuhl hängen.
Wahrenbrück und das alte Wissen
Die Flachsbäuerinnen fahren in die Sommerfrische in den Norden – jedoch nicht bevor der Kontakt zum Heimatverein Wahrenbrück e.V. aufgenommen wurde. Wahrenbrück ist ein dörflicher Ortsteil der Stadt Uebigau-Wahrenbrück im Süden von Brandenburg an der Grenze zu Sachsen. Im Osten grenzt sie an die Lausitz, auch der Spreewald ist nicht weit. Die Gegend ist ländlich geprägt und schaut auf eine Jahrhunderte alte kleinbäuerliche Besiedlung zurück. Flachs wurde hier traditionell zum Eigenbedarf angebaut, um in Heimarbeit zu Leinen weiterverarbeitet zu werden. Der Heimatverein verwaltet das Heimatmuseum des Ortes, welches im Moment für die Öffentlichkeit leider nicht zugänglich ist. Hier befindet sich eine umfangreiche Sammlung von historischen Gegenständen aus dem Leben der ländlichen Bevölkerung sowie diverser bäuerlicher Gerätschaften, darunter Werkzeuge zum Bearbeiten von Flachs.
Breche
Hechelkämme
Flachsschwinge
Hechelkamm mit Flachs
Wissenstransfer mit Frau Pösch und Herr Mühlberg
All das erfahren wir von Kornelia Pösch, Wahrenbrückerin und aktives Mitglied des Vereins. Sie lädt uns ein sich gemeinsam ein Bild davon zu machen und zu schauen, ob und wie wir mit diesen Werkzeugen unseren Flachs zu Leinen verarbeiten können. Wir lernen auch Herrn Mühlberg kennen und mit ihm einen Experten für unser Vorhaben! Er hat als Jugendlicher noch aktiv an der handwerklichen Herstellung von Leinen teilgenommen und wird uns nun lehren, wie der Flachs gebrochen und gehechelt wird! Frau Pösch wird uns obendrein einigen Damen vorstellen, die des Spinnens am Spinnrad mächtig sind. Doch vorher müssen die Samenkapseln von den Stängeln entfernt werden. Dafür leiht uns Frau Pösch einen echten Dreschflegel aus. Aber auch das Dreschen will gelernt sein.
Unterdessen im Färbegarten
Hier blüht schwarze Stockrose erstaunlicherweise altrosa. Zudem hat sich die Färberkamille auf dem Feld ausgebreitet und steht im August in gelber Blüte. Im hohen Norden erstrahlen die Wegesränder schon im August gelb. Der Rainfarn, welcher auch in Leipzig ausgesät wurde, ist hier schneller. Im urbanen Raum sieht man im August kaum gelbe Köpfchen. Auch unser Waid steckt noch in den Kinderschuhen. Krapp und Färberknöterich gedeihen gut. Das Thema Beikraut wird bestimmt von Wellen Ackervogelknöterichs, der sich über die Fläche ergießt. Zudem kriecht Weißklee wohin das Auge blickt. Auch Spitz – und Breitwegereich, Schafgarbe, kleine Rubinen, Ahorn, Gräser aller Art sowie Sommerportulak wuchern förmlich.
Wir sind gespannt auf den September. Unsere Stängel müssen gedroschen und geröstet werden. Es bleibt unfassbar aufregend!
Färberkamille
Färberkrapp
Färberwaid
Brennessel
Rainfarn
Kriechender Weißklee
Färberknöterich
Spitzwegerich
September 2021
Es wird September am Feld und damit kommt für uns die Zeit der Saatgutgewinnung und der Beetpflege. Wir treffen uns nach der Sommerpause ein ums andere Mal in der Früh zum Jäten. Dabei kommen wie gehabt stetig Besucher:innen vorbei und wir führen intensive Unterhaltungen. Das Thema Färben mit Pflanzen ist Inhalt der Gespräche. Gerade unser Färberwaid sorgt für Interesse. Dazu später mehr.
Auf zu neuen Ufern
Anfang September besuchen wir Stephan Schürer in Belgershain. Er hat gemeinsam mit dem Architekten Gregor Fuchshuber eine alte Gärtnerei übernommen. Wir besprechen unsere sich anbahnende Kooperation für das nächste Jahr 2022. Gemeinsam schreiten wir durch den wunderschönen, ausladend wuchernden, seit 10 Jahren brach liegenden Garten. Auf 5 Hektar Fläche wird nun in Zukunft Gemüse angebaut. Und auch lokaltextil bekommt die Möglichkeit eine recht stattliche Fläche von 500 qm mit Faserpflanzen zu bespielen. Neben unserem im urbanen Raum angebauten Flachs, werden wir die Versuchsreihe auf Brennnessel, Faserhanf und vielleicht sogar Färberknöterich aus Japan ausweiten. Wir besichtigen glücklich das alte Gewächshaus, einen herrlichen Fallobstgarten, eine Menge Weissdornhecken und die in diesem Jahr wild sprießende Karde.
Weberkarde
Wilde Karde – Weberkarde
Interessant: Eine Verwandte der Wilden Karde ist die Weberkarde vertiefend hierzu empfehlen wir folgenden Link: www.handweb-museum.de/karden/ . Eine Pflanze, die in der Historie Anwendung in der Textilproduktion fand. Ihre Frucht ist stabiler als die der Wilden Karde. Sie ist in Deutschland nicht mehr in der freien Natur zu finden, wird aber wieder kultiviert. Die Frucht der Weberkarde fand Anwendung auf Kratzrauhmaschinen. Im Esche Museum (https://www.esche-museum.de/ ) in Limbach-Oberfrohna kann eine historische Maschine besichtigt werden, die zur Gewebeaufrauhung genutzt wurde. So erreichte man eine weiche Haptik, die vergleichbar mit Flanellstoffen ist.
Kratzrauhmaschine
Zukunftsgedanken
Wir sind nun in Gedanken auf dem nächst größeren Versuchsfeld und beginnen verschiedene Saatgutideen gedanklich durchzuspielen. Woher beziehen wir die geeigneten Saaten von Hanf und Brennnessel? Schaffen wir es, echtes japanisches Indigosaatgut zu bekommen? Nicht dass wir am Ende selbst nach Japan reisen müssten (was wir unbedingt wöllten…!). Auch denken wir darüber nach, wie wir unseren Flachs im nächsten Jahr noch „besser“ anbauen, ihm noch mehr Stabilität entlocken können.
Färberknöterich polygonum tinctorium – wie Indigo
zur Gewinnung von blauem Farbstoff
Raus aufs Land
Am 13.09.2021 begeben wir uns auf eine interessante Tour in einer alten Feuerwehr rund um Belgershain und Dreiskau-Muckern. Wir sind Teil einer Gruppe Landwirtschaftsbegeisterter und besichtigen Baumriesen und asiatische Riesenmuscheln, die im Dorfbach zur Wasserfiltrierung im Stande sind. In einem gerade fertig sanierten Gesindehaus in Oeltzschau nehmen wir feine lokal angebaute lukullische Nahrungsmittel von der Anstalt für Koch- und Lebensmittelkultur zu uns. Als Reisebegleiter mit an Bord der Feuerwehr ist der Bürgermeister von Belgershain Thomas Hagenow und die Künstlerin Inga Kerber. Am Steuer sitzt der Grünen-Abgeordnete Matthias Vialon. Zum Startpunkt halten wir an einem 7 Hektar großen Wildblumenfeld. Die Landwirtin Bettina Achilles aus Dreiskau-Muckern betreibt hier ihr Projekt StattErnte und lässt Blühpatenschaften wachsen. Das sind hochspannende Eindrücke aus der Leipziger Umgebung, die wir auch mit dem Sächsischen Umweltminister und ebenfalls Tourbegleiter Wolfram Günther teilen.
Landwirtschaftsbegeiste
Der Baumriese
Asiatische Riesenmuschel
Anstalt für Koch- und Lebensmittelkultur
Thomas Hagenow (Bürgermeister Belgershain)
Wolfram Günther (Sächsischen Umweltminister) und Matthias Vialon (Grünen-Abgeordneter)
Bettina Achilles (Projekt StattErnte)
wunderschöne Feldblumen
Besucher:innen am Stadtfeld
Zurück in der Stadtmitte kommen Mitte September Besucher:innen aus dem fernen Greifswald angereist. Die Studierenden von Künstler und Hochschulprofessor Rozbeh Asmani besichtigen gemeinsam mit uns das Färbepflanzenfeld. Wir begegnen uns in Gesprächen über Nachhaltigkeit, Problemstellungen der Textilindustrie, Kunst und deren Aufgabe, aber auch der Herkunft der Materialien und dem Raum für die Kunst. Die Tragweite und Sinnhaftigkeit unseres Selbstversuches in zeitgeistige Bezüge zu setzen funktioniert erneut sehr gut. Das Feld als Kommunikationspartner und Impulsgeber erfüllt seine Aufgabe. Wir sind immer wieder froh über die Komplexität der Ebenen unserer Feldforschung.
Saatgutgewinnung
Am 25.09.2021 wartet wieder eine neue und spannende Aufgabe auf uns. Wir pflücken unsere getrockneten Flachsstängel von der Leine und bereiten alles für die Saatgutgewinnung vor. Mondän auf der Dachterasse der Galerie für Zeitgenössische Kunst planen wir das Dreschen. Mit dabei ein über 100 Jahre alter Dreschflegel aus Wahrenbrück. Wer einmal mit einem solchen Flegel gedroschen hat, dem wird die Brutalität und Kraft der landwirtschaftlichen weiterverarbeitenden Vorgänge bewusst. Wir besänftigen allerdings unser Vorgehen und arbeiten lieber mit Glasflaschen, um die Bollen aufzubrechen und an die Leinsaat heranzukommen. Es dauert ganze sieben Stunden bis wir alle Saatkörner befreien können. Wir entwickeln alternative Techniken um die Spreu vom Leinsamen zu trennen. Mal wird vorsichtig gepustet und dann wieder sanft zentrifugiert. Am Ende des Tages übertrifft die Saatguternte unsere Erwartungen. Wir zählen, mit Briefwaage und Hochrechnung, nun nicht 90.000 Saatkörner. Es sind sogar 193.900 Leinsamen, die im nächsten Jahr ein neues Zuhause im Belgershainer Boden finden werden.
unsere stolze Ausbeute
Flachs vor dem Dreschen
nach dem Dreschen
Oktober/November 2021
Erntefreuden und der Japanische Staat
Der Herbst hat unser Beet voll im Griff. Die Blätterschicht wächst und bedeckt die ins Alter gekommenen Pflanzen. Unser Färberknöterich blüht unbenommen durch die immer kühler und feuchter werdenden Tage. Wir lassen ihm die Freuden, und den Betrachter:innen den farbenfrohen Akzent im sonst goldbraunen Herbst. Unserer Überzeugung nach werden wir der blaufärbenden Pflanze Saatgut abringen. Und tatsächlich, kurz vor Eintritt des Weihnachtsmonats Dezember werden wir erfolgreich Saatgut für das nächste Jahr von den verblühten Ähren lösen.
Japanischer Färberknöterich (Indigo) Anfang Oktober
Japanischer Färberknöterich Anfang November
So eröffnet sich eine weitere Option für den Textilgarten, den wir im kommenden Jahr in Belgershain anlegen werden. Wir denken an ein kleines Indigofeld, um im nächsten Jahr eine ausreichend große Menge Pflanzenfarbstoff zu ernten.
Wir unterhalten uns lange mit Aki Watanuki, die im Süden Japans ein ähnliches Ziel verfolgt wie wir mit lokaltextil. Unsere Hoffnung, über Aki auch an Saatgut vom Japanischen Färberknöterich zu kommen, zerschlägt sich leider. Sie berichtet, dass der Japanische Staat bei Strafe untersagt, Saatgut außer Landes zu bringen. Unsere Traurigkeit darüber war aber nur von kurzer Dauer, denn wie bereits erwähnt, sind wir auf unserem eigenen Beet erfolgreich und planen die Anzucht unseres Färberknöterichs vielleicht schon im Gewächshaus in Belgershain. Spannend sind die traditionellen japanischen Verfahren zur Herstellung der blauen Farbe, die wir uns noch genauer anschauen werden.
Samen unseres Färberknöterichs
Zittauer Begegnungen
Mit unseren 3300 Flachsstängeln geht es munter weiter. Anfang Oktober führte uns die Reise von Leipzig in die Hochschule Zittau-Görlitz, genauer in die „Lander hoch 3“-Halle.
Hermann Gschwandtner, unser österreichischer Leinenexperte und Netzwerker oberster Güte, lockte uns nach Zittau. Und tatsächlich ist die Hochschule ein fantastischer Ort der Begegnung und Forschung. Allen voran Matthias Tirsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter und für uns ein Daniel Düsentrieb der Naturfaserforschung.
Matthias Tirsch erklärt uns seine
Forschungsansätze
Er baut und experimentiert an einem Bioreaktor zur chemischen Trennung von Faser und Pflanzenmaterial ohne schädliche Abfallprodukte. Dadurch könnten wir zwei Schritte der herkömmlichen Produktionsprozesse überspringen, nämlich das Brechen und Schwingen.
Bioreaktor in der HS Zittau-Görlitz
Wir haben gleich nach unserer Ankunft großes Vertrauen in Herrn Tirsch und überlassen ihm unsere Flachsstängel. In der tiefen Hoffnung, er wird die Faser, die hoffentlich vorhanden ist, brauchbar von den Stängeln trennen.
Wir unterhalten uns auch über alle anderen Pflanzen, an denen Herr Tirsch forscht, beispielsweise Hanf, Wasserlilie, Nessel, Bananenblätter oder selbst einheimische Wildkräuter und Gräser. Wir sind ganz gespannt, was sich aus dieser Zusammenarbeit entwickeln wird. Nach einem intensiv aufregenden Tag voller anregender Gespräche, reisen wir zurück nach Leipzig. Auf der Rückfahrt tauschen wir uns mit Rene Roscher aus. Er züchtet Wasserlinsen zur Wasserreinigung und Gewinnung von Biomasse inmitten von Dresden und beteiligt sich an Landwirtschaftsprojekten in Radebeul.
Auch die Belgershainer Zukunft, der noch Geheime Garten, nimmt zunehmend Gestalt an. Wir planen den Standort für unseren Textilgarten und denken über die Verteilung der Saaten nach.
Forscher:innen im Glück
Mitte November der Anruf: die Flachsröste im Bioreaktor war erfolgreich! Die Fasern können vom Rest der Pflanze getrennt werden
Flachs nach Bioreaktorröste
Wir fahren sofort nach Zittau, nicht ohne ein weiteres Pflanzenbündel stacheliger Karde aus Belgershain im Gepäck. Vielleicht kann Herr Tirsch daraus ja auch Fasern extrahieren, wer weiß…
In Zittau angekommen, treffen wir neben Herrn Tirsch seinen Mitarbeiter Andreas Elvermann. Er ist gerade dabei, ein Bündelchen Flachs von den Fasern zu trennen. Es riecht nach verrotteten Pflanzenresten, etwas jauchig. Das macht die Milchsäure dieses Fermentationsprozesses, erklärt uns Andreas. Das Verfahren bewirkt, dass sich bestimmte Teile der Biomasse auflösen. Das benutzte Wasser kann danach direkt als Dünger oder zum Gießen weiterverwendet werden. Eine ganz saubere Sache!
Ausspülen der vom Stengel gelösten Fasern
Einziger Haken: die Fasern müssen per Hand von jedem einzelnen Stengel abgezogen werden. Eine mühsame, langwierige Arbeit. Geht aber im Moment noch nicht anders, denn wir befinden uns ja in einem prototypischen Forschungsprozess. Der nächste Schritt wäre dann, ein Verfahren zu entwickeln, dass die händische Arbeit in eine mechanische verwandelt. Vielleicht ist das der Beginn einer neuen Ära der Flachsverarbeitung, denn die gesteigerte Effektivität der Prozesse könnte es möglich machen, die Produktion wieder in unsere Region zurück zu holen.
Noch ist das ganz klar Zukunftsmusik, die wir aber mit dem sehr daran interessierten Herrn Tirsch besprechen werden. Nachdem die abgezogenen feuchten Fasern getrocknet sind, werden sie gehechelt, also gekämmt. So werden restliches Pflanzenmaterial und zu kurze Fasern entfernt.
Was bleibt, ist eine hellblonde, engelshaargleiche Strähne, weich und glänzend.
Wir sind ganz gerührt vor Glück, dass wir nun das Ergebnis eines monatelangen Prozesses von Urbarmachen der Erde, Aussäen, Pflegen, Raufen und Dreschen in unseren Händen halten. Das besondere ist das spezielle Röstverfahren, das die Faser ganz hell und weich macht. Wir fragen uns, wie sie sich verhält, wenn sie im nächsten Schritt versponnen wird. Unsere Suche konzentriert sich nun auf den geeigneten Ort, wo dies passieren kann.
Dezember 2021/
Januar 2022
Das Feld an der Galerie für Zeitgenössische Kunst liegt blätterbedeckt im Winterschlaf.
Wir gehen immer mal hin und schauen, ob alles ruhig ruht. Wir nutzen die weihnachtliche Zeit, um uns lesend weiterzubilden. Holistisch wie immer geht es uns um Landwirtschaft, den Boden, die verschiedensten Färbepflanzen, Faserkunde, Geschichtliches und auch wissenschaftliche Studien sowie Künstler:innen, die sich mit den grünen Wundern beschäftigen. Wir sehen verschiedene Dokumentationen über Indigo und Färberknöterich. Träumen uns nach Japan und sehen uns Blätter kneten, um die tiefblaue Farbe zu extrahieren.
Masanobu Fukuoka
„Der große Weg hat kein Tor“
Der japanische Biologe und Gartenmeister gilt als Wegbereiter der Permakultur. Seine Anbaumethode benennt er als „Methode des Nichtstuns“. Durch jahrzehntelange Beobachtung des Pflanzenwachstums in seinen Gärten und Feldern kommt er zu dem Schluss, dass wir Menschen nur minimale Eingriffe vornehmen müssen. Das Wachsen und Werden regelt die Natur. Die Böden bleiben gesund, die Pflanzen werden kräftig und schützen sich gegenseitig. Das Buch ist nicht nur Literatur zum Thema Landwirtschaft sondern eine Art Denkschule. Es ist uns eine Freude immer wieder darin zu lesen und damit zu lernen.
Ludwig Fischer
„Brennnesseln“
Ein kulturgeschichtliches Porträt der von den Menschen stark unterschätzten Pflanze. Wir lesen es mit intensivem Interesse, um unseren Fasergartenfreundinnen angemessen zu begegnen.
Mely Kiyak
„Ein Garten liegt verschwiegen“
Dieses kleine fein textilgebundene Büchlein liest sich gerade in der Winterzeit herrlich leicht. Wir tauchen ein in die Gartenbestrebungen der Nonnen des Fuldaer Klosters. Es geht um Humus, Beete, Wirtschaft und das heilige Gärtnern.
Bruno Marcus
„Großes Textilhandbuch“
Das Buch ist von 1928 und gerade deshalb sehr interessant. Faserpflanzengeschichte. Wertschöpfungskettenhistorie. Ungemein dicht, wie es sich für ein Handbuch gehört, und begleitet von einem ganz fantastischen haptischen Kästchen voller Textil – aber auch Rohstoffproben von Hanf, Baumwolle, Nessel, Jute, Schafwolle und Textilien aller Art. Die Empfehlung kommt von der wunderbaren Katja Feist, Designerin und Textilbegeisterte aus Schwerin. Danke vielmals.
Irmela Erckenbrecht und Peter Reichenbach
„Farbstark mit sevengardens“
Das Buch zur Initiative und Methode. Niedrigschwellig werden Menschen allen Alters an das Pflanzenfärben herangeführt. Sie legen einfache Gärten an und lernen dabei Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und sogar die Möglichkeit der Selbstversorgung.
Imke Müller – Hellmann
„Leute machen Kleider“
3 Jahre investiert die Autorin in das Erforschen Ihrer Lieblingsgarderobe. Sie versucht die Personen hinter ihren Kleidungsstücken zu finden und zu treffen. Ein hochspannender Bericht über die globale Textilindustrie und insbesondere darüber, dass hinter allem was uns umgibt, was uns definiert, worüber wir uns ausdrücken, immer Menschen stehen. Eine wahnsinnige Menge Menschen und damit auch Leben.
Immer wieder zieht es uns nach Belgershain
Immer wieder zieht es uns nach Belgershain um unseren Boden zu besuchen. Wir entfernen jahrzehntealte Plastikfolien die durch das Umgraben zu Tage gefördert wurden. Ein Birnbaum bildet die Grenze unseres Feldes zum anschließenden Blühfeld. Wir sehen alles vor uns.
Konzeption des Textilgartens
Den Färbegarten bestücken wir mit einer Vielzahl von Pflanzen für die Farben
– blau: Färberknöterich (polygonum tinctorium), Färberhülse oder -scharte oder -lupine (baptisisa australis), Indigostrauch (indigofera tinctoria),
– gelb: Rainfarn (tanacetum vulgare), Färberkamille (anthemis tinctoria), Reseda oder Färberwau (reseda luteola), Färbeginster (genista tinctoria),
– rot: Saflor oder Färbedistel (carthamus tinctorius), Färbermeister (asperula tinctoria) und Krapp (rubia tinctoria).
Dazu kommt eine Komposition aus Faserpflanzen, Orgelpfeifen gleich, wird Hanf der Sorte USO31 als größte unserer Faserpflanzen ausgesät. Das Saatgut samt Lizenz kommt von der BaFa Neu GmbH in Malsch. Dazu berät uns im Januar Herr Brüher.
Für etwas Irritation bei unseren Gartenfreunden sorgt unser Wunsch der Großen Brennnessel einen ehrenvollen Platz zukommen zu lassen. Wir lesen und sehen unglaublich viel zum Thema. Erfahren über den Brennnesselkrieg in Frankreich. Urtica Dioica ist eine wehrhafte Königin, so wehrhaft wie es auch die französischen Biobäuer:innen es sind. Zudem ist die Große Brennnessel im Jahr 2022 gefeierte Heilpflanze (hier mehr dazu).
Herzlichen Glückwunsch Urtica Dioica!
Das passt perfekt zu lokaltextil und unserem Textilgarten.
Danke an Stephan Schürer für die Nesselkinder aus Belgershain. Die nehmen wir mit nach Hause, um das Pflanzenwachstum zu studieren.
Weiterführendes zur Brennnessel
Hier geht es zu einer interessanten Dokumentation über die Brennnessel.
Die Textildesignerin Tau Pibernat hat sich in ihrem local nettle projekt der Brennnessel gewidmet.
Hier geht es zu ihrer Projektseite.
Neu im Textilgarten
Auch der Faserpflanze Ramie (Boehmeria nivea) werden wir im Textilgarten einen Platz einräumen. Die brennnesselartige tropische Pflanze verbirgt feine und lange fein glänzende Fasern in ihren Stängeln. Die Fasern sind Grundlage für feine seidenähnliche Gewebe.
Und nicht zu vergessen unsere Flachssamen aus der Mitte von Leipzig. Dem Flachs widmen wir den größten Anteil im Faserpflanzengarten. Auf 500 qm unserer Gartenfläche soll es Mitte Juni blau blühen. Wir sind gespannt, ob die Saat aufgeht. Dazu sprechen wir im Januar auch mit Janka Schmerge, unserer Flachsfreundin aus Mönchengladbach. Sie hat ihre Bachelorarbeit erfolgreich zum Thema lokaler Faserpflanzen geschrieben und erzählt uns von Dominik Füglistaller aus der Schweiz. Er ist Geschäftsführer der SwissFlax GmbH, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Wertschöpfungskette für Schweizer Flachs wieder aufzubauen und industriell zu betreiben. Wir empfehlen allen, die sich für den Flachsanbau interessieren, einen Besuch auf der Website: https://swissflax.ch.
Auch ein schönes Projekt ist the linen project aus den Niederlanden. Unter folgendem Link ist diese wärmste lokaltextil Empfehlung zu finden: https://thelinenproject.online.
Februar 2022
Färberknöterich
Vor Glück über unser selbst gewonnenes Saatgut, überhasten wir die Vorgänge etwas. Wir können es nicht mehr erwarten unsere Saatkörner in die Erde zu bringen. Fahren mit Anzuchterde im Gepäck nach Belgershain und suchen uns 54 kleine Tontöpfchen. Im schönsten Sonnenschein hantieren wir im alten Glashaus der Gärtnerei, und betten in jedes Töpfchen drei Körner.
Eigentlich ist es zu früh. Das realisieren wir aber erst nach weiterer intensiver Lektüre verschiedener Seiten: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V.
Zur Sicherheit holen wir alle Töpfe nach Leipzig, um die Anzucht in unseren Wohnungen zu begleiten. Es ist die Wärme und Feuchtigkeit, die aus jedem Töpfchen Keimlinge sprießen lässt. Das passiert so schnell, dass wir zusehen können. Wir hoffen sehr auf vitale, kräftige Färberknöteriche und sprechen den Keimlingen jeden Tag gut zu.
Leider überleben die zu frühe Anzucht nur ca. 25 Pflanzen. Das wird uns eine Lehre sein. Die Sonnenstunden reichen einfach noch nicht aus und künstliches Licht, haben wir nicht in Betracht gezogen.
Indigo – Ein Thema für sich
Um trotzdem eine Vielzahl des Färberknöterichs auszupflanzen, bemühen wir uns um neues Saatgut. Hierzu kontaktieren wir Elke Fiebig. Sie betreibt das Blog: STILL GARMENTS. Wir können über sie zwei verschiedene Sorten Färberknöterich beziehen.
Wir werden in Zukunft zur Thematik „Indigoblau“ eine eigenständige Ästhetische Forschung mit Logbuch starten. Dazu beginnen wir verschiedene Studien und Schriften zu recherchieren und zu lesen. Hier ist schon mal ein interessanter Buchtipp zum Thema Waid:
Falk Fischer
„Waid – Das blaue Wunder“
Waid (Isatis tinctoria), so wird in diesem kleinen schmalen Buch klar, ist eine interessante Kulturpflanze. Es gibt über hundert verschiedene Waidarten. Insbesondere der Reichtum der Stadt Erfurt ist aus dem Waidanbau und -handel hervorgegangen. Zudem ist sehr informativ zu erfahren, dass es sich um eine geruchlich lästige Prozedur handelte den Farbstoff aufzuschließen. So olfaktorisch belästigend, dass man die Waidbauern bat, die Türen zu den Waidkammern am Sonntag zu schließen, um die Kirchgänger nicht abzuschrecken. Die aktive Geschichte des Waids ist dann auch schon im 18. Jahrhundert „auserzählt“, da die Monopolstellung für Indigofarbstoff an den indischen Indigo abgetreten wurde. Waid hat einen geringeren Indigoanteil als beispielsweise der indische Indigostrauch. Das Buch zeigt vielseitige Anwendungsfelder wie Holzschutzmittel, Kosmetik und ökologisches Bauen auf, was aus heutiger Sicht, im Sinne der Mehrfachnutzung, eine Chance für eine Rückkehr zum Anbau bedeuten könnte. Das Blau fiele dementsprechend als Beiprodukt ab und wäre nicht mehr Hauptbeweggrund.
Inzwischen im Garten der GfZK
Wir bauen in unserem Textilgarten in Belgershain Waid an. Für alle die das interessiert, kommen sie vorbei. Aber auch auf unserem Beet an der Galerie für Zeitgenössische Kunst in der Stadtmitte geht der Waidanbau ins zweite Jahr. Hier wächst und gedeiht die Pflanze durch alle Temperaturen hindurch.
Flachszukunft in und um Zittau
Am 11.02.2022 fahren wie zum ersten Mal im Jahr 2022 nach Zittau um Matthias Tirsch und Andreas Elvermann in der LaNDER³ – Halle zu besuchen. Wir sind gespannt, wie es unseren Flachsstängeln ergangen ist. Und natürlich bereiten wir uns auf die Vorgänge, die noch zum fertigen Gewebe fehlen vor. Das Spinnen und das Weben sind die letzten Schritte hin zur Leinwand. Wir erreichen Zittau voller Vorfreude und sind begeistert, als wir die Ergebnisse zu Gesicht bekommen. Andreas Elvermann hat einen stattlichen Flachfaserzopf aus unseren Stängeln gewonnen. Und auch die ausgekämmten Reste wurden feinsäuberlich zu einem Faservlies kardiert.
Das ist die perfekte Voraussetzung zum verspinnen. Die Spannung steigt und wir beginnen uns vorzustellen, wie groß die Leinwand werden wird. Matthias Tirsch und Andreas Elvermann sprechen sogar von einem A4 Format. Das würde unsere Erwartungen weit übertreffen. Während unseres Aufenthaltes führen wir ein Interview mit den Forschern. Das ausführliche Gespräch ist demnächst auf unserer Webseite zu finden. Matthias Tirsch schlug uns vor, aus den holzigen Reste unseres Flachses Papier herzustellen.
Leider reicht die Menge in dieser Saison noch nicht aus. Wir gehen das Thema mit der nächsten Flachsernte an. Nichts liegt uns näher am Herzen als unsere Biomasse komplett zu nutzen. Wir besprechen die nächsten Schritte und sind glücklich über die sehr gute Vernetzung der HSZG und insbesondere Matthias Tirsch. Noch vor Ort sucht er den Kontakt mit Steffi Friebolin die Ihrerseits Mitarbeiterin im Deutschen Damast – & Frottiermuseum in Großschönau ist. Ein Ort, perfekt für unser Vorhaben. Wir hoffen auf ein Treffen und aktives Spinnen und Weben Ende März. Dann hielten wir nach exakt 12 Monaten unser Ergebnis aus dem Selbstversuch Leinen in den Händen.
März 2022
Textildorf Großschönau – Spinnen – Weben – Informationsdusche
Ende März steht der nächste Besuch in Zittau und Großschönau im Kalender. Am 25.03. pünktlich zum Weltklimastreiktag reisen wir voller Vorfreude mit dem Zug in die Lausitz. Wir werden von Matthias Tirsch in Zittau eingesammelt und fahren gemeinsam nach ausgiebigem Gespräch im Garten in Richtung Textildorf. Dort erwartet uns im Deutschen Frottier und Damast Museum Steffi Friebolin. Im Kofferraum unser Faservlies und Faserzopf. Andreas Elvermann ist bereits eingetroffen und gemeinsam nehmen wir die Fasererträge aus dem Hydrolyseverfahren der Wissenschaftler in Augenschein. Unser Ziel in den nächsten zwei Tagen ein Gewebe.
3300 Leinsamen/ 12 qm Boden/ ?qcm Gewebe
Weben können wir erst, wenn sich unsere Fasern zu einem webfähigen Garn verwandelt haben. Steffi Friebolin ist genau die Richtige für unser Vorhaben. Sie hat ihr Spinnrad in die Werkstatt des Museums gebracht und weiß immer genau was zu tun ist. Steffi ist Mitarbeiter:in im Museum und gerade dabei ihre Handwebausbildung in Kukate zu beenden. Das prädestiniert sie für unser Vorhaben. Wir sind ihr unglaublich dankbar. Die Langfasern bindet sie zuallererst auf den sogenannten Spinnrokken. Am Spinnrad selbst gibt es ein Tonschüsselchen, welches mit Wasser gefüllt den Spinnprozess zu einem Nassspinnverfahren macht.
Steffi spinnt viereinhalb Stunden. Völlig meditativ und gebannt starren wir auf das sich immerfort drehende Handspinnrad und bewundern ihre Fertigkeiten. Aus dem Langfaserzopf erwächst ein recht feines Garn. Dann wird das Faservlies, das als Werg bezeichnet wird, versponnen. Werg sind die kürzeren Flachsfasern, die von Andreas Elvermann liebevoll zum Vlies kardiert wurden.
Dabei entspinnen sich etwas gröbere Fäden. Wir lernen, dass im darauffolgenden Webprozess das stabile feinere Langfasergarn als Kette auf den Webstuhl kommt. Mit dem gröberen Kurzfasergarn wird der Schussfaden ins Gewebe eingetragen. Das Prozedere müssen wir auf Samstag den 26.03.2022 verschieben. Es ist spät geworden im Textildorf und wir begeben uns zum Abendessen in die Weberstube. Dort sinnieren wir gemeinsam mit Heike Michel, die ihres Zeichens Projektleiterin der Webschule Großschönau ist und tauschen uns aus zu vielseitigen Themen.
Das Weben
Es ist ein irrsinnig komplexes Unterfangen zu einem Textil zu gelangen. Während jedes einzelnen Schrittes wird uns bewusster wie absurd klein die Preise für Textilien in der heutigen Zeit sind. Wir richten den Webstuhl ein. Und bereiten die Schussfäden vor. Nachdem wir kreuzgehaspelt und den feinen Kettfaden ausgemessen haben, es sind 124 cm beginnen wir die Kette vorzubereiten. Das klingt leichter gesagt als getan. Jeder Faden muss durch eine kleine Litze geführt werden und durch den sogenannten Webkamm. Dazu braucht es auch bei einem schlichten Leinwandgewebe einen Scherbrief. Mal sind es 2 Fäden die in eine Kammkammer eingeführt werden mal nur einer.
Das Ganze dauert dann auch 3h und wir erfahren, das professionelle Handweberinnen diese Tätigkeit in 0,5h Stunden absolvieren müssten. Wir meditieren uns zum Gewebe… Der Schussfaden ist auf die Schiffchen aufgewickelt. Nun ist alles bereit. Um 16:31 Uhr am 26.März 2022 kreuzen sich zum ersten Mal Kettfaden und Schussfaden. Das ist fantastisch. Unser eigens angebautes Leinengewebe beginnt zu wachsen und zu wachsen.
Der erste Schussfaden.
Und ja es ist, da das Garn völlig unbehandelt ist, ein grobes leinwandbindiges Gewebe. Wir sind fasziniert von der Fülle der Schritte, es ist ein unfassbar gutes Gefühl alle Prozesse gegangen zu sein. Das Saatgut ausgebracht zu haben. Diese kleinen feinen glattpolierten Leinsamen. Im Ergebnis ein tatsächliches Stück Stoff. Leinwand.